Eingefercht zwischen einer üppigen Vegetation aus Bäumen, Sträuchern und Büschen liegt der Vagli-See im Serchio-Tal in der Garfagnana in der Toskana. Nach endlosen Kurven auf mal mehr und weniger gepflegten, mal mehr oder weniger mit Büschen, Sträuchern und Kräutern bewuchterten Straßen habe ich den Lago di Vagli (Vagli-See) von Camporgiano, Vitoio und Roggio kommend erreicht. Es ist eine längere Fahrt über mehrere Berge hinweg, die sich lohnt, denn der See ist der größte Stausee der Toskana, der doch durch seine Größe und der hohen Staumauer imponiert.
Das Serchio-Tal ist übersät mit Stauseen
Das Serchio-Tal, gebildet aus den Apuanischen Alpen hier, den Apennin dort und in der Mitte den Fluss Serchio, der dem Tal seinen Namen gibt, ist seit Jahrhunderten von alten Geschmäckern, Gewohnheiten und Traditionen geprägt. Es gibt verschiedene Berge, unterschiedliche Profile, vielgestaltige Landschaften, die allesamt eine Schatztruhe bilden – die Oberen und Mittleren Täler -, in die der Mensch seine Hand gelegt hat, ohne bisher allzu viel Schaden anzurichten.
Die Täler des Serchio-Tals sind mit Stauseen, den Lungen eines riesigen Systems von Wasserkraftwerken, die durch Rohrleitungen und unterirdische Kanäle miteinander verbunden sind, übersät. Die Staudämme und Kraftwerke, die sowohl architektonisch – wie das Kraftwerk Pian della Rocca – als auch industriegeschichtlich – wie das Kraftwerk Torrite – äußerst interessant sind, wurden in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Vorfeld der industriellen Entwicklung des Tals im Zusammenhang mit dem Abbau von Mineralien und Marmor errichtet. Diese Kraftwerke mit ihren Staudämmen prägten die Garfagnana physisch, geografisch, sozial und wirtschaftlich. Die Bewohner des Tals leben in Einklang mit reichlich Wasser und Kraftwerken.
Die Besonderheit des Vagli-Sees
In diesem Zusammenhang bildet der Vagli-See mit seiner Höhe von 96 m das größte toskanische Becken, das durch einen Staudamm von Enel Produzione gebildet wird. Alle zehn Jahre wird das Vagli-Becken für Wartungsarbeiten geleert. Dann erscheint in einer ungewöhnlichen und faszinierenden Schlammlandschaft die gespenstischen Ruinen von Fabbriche, der „Geisterstadt“, die vor siebzig Jahren beim Bau des Staudamms unter Wasser gesetzt wurde und heute eine der größten Attraktionen der Garfagnana bildet.
Einen ganzen Sommer lang – der letzte war 2014 (2004, 1994), der nächste wird 2024 sein – kann Fabbriche erkundet werden. Es kann durch die alten Straßen und zwischen den alten Steinhäusern im Schatten des Glockenturms gegangen werden. Sicherlich wird das Terrain aus Schlamm bestehen, weshalb es sich hier lohnt, Gummistiefel mitzunehmen.
Wer genauer hinschaut, erkennt unsichtbare Spuren einer bäuerlichen und handwerklichen Zivilisation, die aus dem Blickfeld durch den See verschwunden sind, aber genau durch diesen auch geschützt werden.
Bei jeder Entleerung des Vagli-Sees reisen Tausende Touristen, Wissenschaftler und auch die Presse an, aber es kehren auch die Bewohner des Tals zurück, um ihr Dorf wiederzusehen. Sie schlendern dann gerne zur alten romanischen Kirche San Teodoro, dem Glockenturm und der dreibogigen Brücke, die den Edron-Bach überspannte.
Seit 2015 überspannt den Lago di Vagli auch eine Fußgänger-Brücke, die vom italienischen Bauingenieur Riccardo Morandi (1902-1989) geplant wurde.