Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi hat für sexuelle Handlungen mit einer Minderjährigen bezahlt und damit sein Regierungsamt missbraucht, weil er damit diese Affäre vertuschen wollte.

Während vor dem Mailänder Justizpalast in Rom die Freunde und Gegner Berlusconis lautstark und emotional aufgeheizt mit Worten, wie „Lump, Betrüger“ und „Kommunistenpack“ um sich werfen, ist sonst eigentlich nichts zu sehen.

Klar – bei einer Verhandlung vor so einem Gericht, mit einem derart prominenten Angeklagten und einer Anklage, wie man es von einem ehemaligen Premier eigentlich nicht erwarten sollte, tummeln sich nicht nur Gegner und Befürworter, sondern auch die Medien.

Und auch im Gericht selbst fehlen derzeit die Hauptakteure, denn Berlusconi selbst befindet sich zu Hause und ärgert sich darüber, dass er mit dieser Angelegenheit wohl von der politischen Bühne gehoben werden wird. Auch die Hauptanklägerin Ilda Bocassini hat sich etwas Urlaub gegönnt und es ihrem Chef, Edmundo Bruti Liberati, überlassen, klar zu machen, dass es nicht sie ist, die gegen Silvio Berlusconi steht, sondern die Staatsanwaltschaft an sich. Und auch die drei Richterinnen sind vorübergehend in ihrem Beratungszimmer befindlich, um sich mit einem Konvolut von Papieren zu beschäftigen, das sie von den Anwälten des Angeklagten übergeben bekommen haben.

Da geht es um die Geschichte der Ruby, die während eines Abendessens in der Villa Berlusconis mit anderen jungen Frauen saß, und die wegen ihrer angeblich schmerzlichen Situation vom Ex-Premier mehrere Tausend Euro für eine neue Zukunft bekam, damit sie sich nicht weiter als Prostituierte verdingen muss.

Nach der Beratung der drei Richterinnen stellt sich die Situation so dar: Zig befragte Zeugen und etwa vierhundert Seiten von Protokollen von abgehörten Telefongesprächen belasten den 76-jährigen Milliardär. Die 2010 noch minderjährige marokkanische Nachtclubtänzerin wurde von Berlusconi für Sex bezahlt. Auch half er ihr, als sie wegen Diebstahlsverdacht verhaftet wurde. Die Begründung für die Übergabe von Karima el-Mahroug, wie Ruby mit bürgerlichem Namen heißt, die an eine Abgeordnete stattfinden sollte, war eher obskur. Berlusconi befand sich derzeit auf einem Staatsbesuch in Frankreich. Er erklärte dem Kabinettschef des Mailänder Polizeipräsidenten, dass das Mädchen die Enkelin des damaligen ägyptischen Präsidenten, Husni Mubarak sei, und begründete seine Handlung mit der Befürchtung, dass dies zu einer diplomatischen Affäre führen könne.

Die Abgeordnete, Minetti, welcher das Mädchen übergeben werden sollte, war zuerst Berlusconis persönliche Zahnpflegerin und später seine Geliebte. Und es dauerte nicht lange, bis diese Frau in Berlusconis Partei im lombardischen Regionalparlament saß. Auch half sie bei der Organisation der so genannten „Bunga Bunga“ Abende. In späteren Aussagen erklärte der Ex-Premier, dass er wirklich glaubte, dass Ruby Mubaraks Enkelin sei.Das Gericht befand jedoch anders. Es geht davon aus, dass Berlusconi befürchten musste, dass das Mädchen im Gewahrsam über seine Erlebnisse der „Bunga Bunga“ Abende erzählen könne. Auch habe Berlusconi sein Regierungsamt missbraucht, weil er es zuließ, dass Ruby ohne Papiere im Land war und schon wegen mehrerer Diebstahlsdelikte bekannt war.

So steht also Silvio Berlusconi wegen der Förderung der Prostitution Minderjähriger und dem Amtsmissbrauch vor Gericht. Das Urteil des Gerichts lautet: Sieben Jahre Gefängnis und das Verbot, jemals wieder ein öffentliches Amt inne zu haben.

Nun braucht in Italien niemand ins Gefängnis, der über 70 Jahre alt ist. Und das die Anwälte Berlusconis in Berufung gehen, steht außer Frage. Und so bleibt der Schuldspruch ohne weitere Konsequenzen für den Angeklagten, bis auch die zwei nächsten Instanzen entschieden haben.

In dritter Instanz ist im Herbst dieses Jahres aber ein anderes Urteil zu erwarten. Hier geht es um den Steuerbetrug, den Berlusconi mit seiner Firma Mediaset beging. Wenn das Kassationsgericht den Urteilen der Vorinstanzen entspricht, darf Berlusconi keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden, und der politische Ausschluss erfolgt. Auch, wenn man es nicht glauben möchte, schmerzt Berlusconi die Schande, dass seine angeblich ruhmreiche Karriere ein unrühmliches Ende nimmt, und ein erzwungener Abgang sein Schicksal sein wird. Natürlich hätte sein politisches Ende zur Folge, dass er macht- und schutzlos den Nachstellungen der Justiz gegenüber stünde. Also behauptet er weiterhin, dass er absolut unschuldig sei und hofft auf die Möglichkeit freigesprochen zu werden.Der Vorwurf, die Richterinnen würden ihn verfolgen und er habe auch weiterhin vor, aus Italien ein wahrhaft freies und gerechtes Land zu machen, klingt sicher in Aller Ohren wie eine weitere Farce aus seinen früheren Tagen. Beweis für seine Unaufrichtigkeit ist, dass er schon jetzt den Sozialdemokraten Enrico Letta unter Druck setzt. Ohne Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“ wäre die Koalition dem Ende geweiht und Premier Letta hätte keine Mehrheit mehr. Am liebsten würde er auch weiterhin seine juristischen Tricks anwenden, um seinem politischen Ende zu entgehen.

Noch hat Berlusconi einen Sitz in der zweiten Kammer des Parlaments. Und diese müsste im Falle des politischen Lizenz-Entzuges durch das Kassationsgericht bestimmt werden. Linke Senatoren hätten dann die Möglichkeit Berlusconi zu retten. Diese drohen jetzt schon, dass sie sonst alles platzen lassen würden und auf Neuwahlen setzen.

Was jedoch derzeit noch im Vordergrund steht, ist das brisante Urteil wegen der Affäre mit Ruby. Denn auch in Italien ist der Umgang mit minderjährigen Prostituierten kein Kavaliersdelikt und geht hart über die Grenzen des italienischen Geschmacks. Damit ist er auch bei seinen weiblichen Wählern unten durch, und seine Wahlchancen tendieren nach null. Somit schlagen dann seine Drohungen nach Neuwahlen ins Leere und Enrico Letta hat eine echte Chance sein Land politisch zu stabilisieren.