Tacito orror di solitaria selva

Tacito orror di solitaria selva
di sì dolce tristezza il cor mi bea,
che in essa al par di me non si ricrea
tra’ figli suoi nessuna orrida belva.

E quanto addentro più il mio piè s’inselva,
tanto più calma e gioja in me si crea;
onde membrando com’io là godea,
spesso mia mente poscia si rinselva.

Non ch’io gli uomini abborra, e che in me stesso
mende non vegga, e più che in altri assai;
né ch’io mi creda al buon sentier più appresso:

ma, non mi piacque il vil mio secol mai:
e dal pesante regal giogo oppresso,
sol nei deserti tacciono i miei guai.

Vittorio Alfieri (1749-1803)

Diese enorme Kastanie steht im Biellese nahe dem Panoramica Zegna in einem Waldgebiet

Der schweigende Schrecken des einsamen Waldes

Der schweigende Schrecken des einsamen Waldes
an solch süßer Traurigkeit erfreut sich mein Herz
dass sich so wie meinesgleichen
keine wilde Bestie in Begleitung ihrer Jungen darin findet.

Und je tiefer mein Fuß in den Wald eindringt,
desto mehr Ruhe und Freude entsteht in mir;
so dass ich mich daran erinnere, wie glücklich ich dort war,
oft sucht mein Geist erneut Zuflucht in der Wildnis.

Nicht, dass ich Menschen verabscheue, noch dass ich in mir
keinen Fehler sehe, sogar mehr als bei den anderen;
noch, dass ich mich weiter auf dem guten Weg glaube:

aber nie hat mich meine widrige Epoche erfreut
und durch das schwere königliche Joch unterdrückt,
nur in einsamen Orten sind meine Sorgen still.

Analyse des Gedichts

Vittorio Alfieri lebte in einem Zeitalter, was wir Romantik nennen, umso mehr erstaunt es nicht, dass wir hier eine Korrespondenz zwischen dem lyrischen Ich des Dichters und der ihn umgebenden Landschaft vorfinden, eine Weltflucht und ein Rückzug in andere Welten – alles Merkmale der romantischen Epoche.

Die Verse von Alfieri, die oft einen stark autobiografischen Charakter haben, geben das zwiespältige Innere des Dichters wieder, mit einer tragödienähnlichen, harten und auch verzweifelt klingenden Sprache.

Oft wird das vorherrschende Liebesthema von einem politischen Thema begleitet wie auch im vorliegenden Sonett in der letzten Strophe.

Alfieri bedient sich beim Aufbau des Sonetts der traditionellen metrischen Form der italienischen Literatur (ABBA, ABBA, CDC, DCD). In diesem finden wir das (vor)romantische Klima wieder, nämlich, den einsamen und auch schrecklichen Wald, der den Dichter Glückseligkeit verschafft, nicht nur, wenn er ihn tatsächlich betritt, sondern auch, wenn er sich an ihn erinnert. Einige Jahre später wird das Thema der Erinnerung insbesondere Giacomo Leopardi beherrschen.

In den Terzetten erklärt Vittorio Alfieri, dass er nicht misanthropisch ist, aber ihm das feige, widrige Zeitalter, ohne Tugend und ohne Heldentum, zudem auch noch vom Herrscher versklavt, äußerst missfällt. Deshalb liebt er den Wald umso mehr, da dieser ihm erlaubt, sich zu isolieren und nicht pausenlos an die Übel der Gegenwart zu denken. So findet sein innerer Schmerz, den er trägt, auch eine „historische“ Rechtfertigung.

Bereits bei Petrarca war die Suche nach der Isolation des lyrischen Ichs vorhanden, allerdings sind die Unterschiede zwischen beiden Dichtern und beiden Epochen (Renaissance-Humanismus und Romantik), in denen sie lebten, tiefgreifend: Bei Alfieri finden wir lebhafte, raue Verse mit einer gewissen Tragik, bei Petrarca hingegen ruhige und klare.

Auch Dante Alighieri kommt im Gedicht vor. Nicht namentlich erwähnt, doch finden wir deutliche Anklänge an Dantes Vorgehensweise, insbesondere bei der Verwendung der beiden Neologismen „rinselva“ und „inselva“, die beide das Schlüsselwort „selva“ (Wald) in sich tragen, und von Dante in der dritten Cantica wiedergegeben wird. Allerdings ist bei Alfieri die Bedeutung Wald völlig entgegengesetzt zu der der Commedia von Dante: Für Dante war der dunkle Wald ein Ort der moralischen Unruhe, ein Ort der Verwirrung, des Schreckens, für Alfieri hingegen ist er ein Ort des Friedens, der Versöhnung, der Erinnerung („si rinselva“, sich an den Wald erinnern).