Die künstlerische Leistung des alten Griechenlands (2500 v. Chr. – 27 v. Chr.) inspirierte insbesondere die alten Römer, die diese in ihre Kunst und Architektur einfließen ließen. So bezeugen heute noch archäologische Stätten in Agrigent und Selinunt auf Sizilien sowie die Ruinenstätte in Paestum in der italienischen Region Kampanien von der großartigen dorischen Tempelbaukunst der alten Griechen. Auch der Hera-Tempel in Metapont, in der Basilikata ist dorischen Ursprungs. Dagegen existieren in Italien fünf ionische Tempel, die heute zum Teil nur noch als Reste besichtigt werden können. Zu den fünf ionischen Tempeln gehören der Tempel der Aphrodite in Metapont in der Basilikata, der Tempel in Syrakus auf Sizilien, der Tempel in Locri in Kalabrien, der Tempel der Kore-Persephone-Demeter in Ipponio (heute Vibo Valentia) in Kalabrien und der Tempel in Elea (heute Ascea) in Kampanien.

Die Reste der Tempelanlage in Selinunte auf Sizilien
Die Reste der Tempelanlage in Selinunte, Sizilien

Mehr zur Kunst in Italien

Kunst der Griechen blieb lebendig

Die Kunst der alten Griechen blieb bis heute lebendig, vor allem in der Renaissance und im Klassizismus wurde diese häufig als Vorbild herangezogen. Bis heute sind zahlreiche Tempelanlagen, Theater, Statuen, Skulpturen und Malereien, insbesondere auf Vasen, aus dem alten Griechenland erhalten.

Einen großen Einfluss der altgriechischen Kunst bildete für die nachfolgenden Epochen die Vielzahl an Skulpturen, die teilweise in exzellenter bildhauerischer Arbeit geschaffen wurden. Viele der Skulpturen sind heute nicht mehr im Original erhalten, können jedoch dank der alten Römer, die diese vervielfältigten, als detailgetreue Kopien bestaunt werden.

Die Laokoon-Gruppe in Rom

Die Laokoon-Gruppe in Rom von der Vorderseite
Die Laokoon-Gruppe in Rom

Die bedeutendste und bekannteste Skulptur ist die Laokoon-Gruppe, ein Meisterwerk aus Marmor aus dem Hellenismus im 2. Jahrhundert v. Chr. Heute befindet sich die 2,40 m hohe Skulptur in Rom in den Vatikanischen Museen. Schön zu sehen ist die im Hellenismus stark ausgeprägte Komplexität von Verschlingungen, die nahezu „barock“ anmutet.

Die Venus von Milo aus dem Hellenismus

Die Venus von Milo als Skulptur
Die Venus von Milo

Die Venus von Milo oder auch Aphrodite von Melos genannt ist ein weiteres bekanntes Beispiel altgriechischer Kunst. Auch sie wurde im Hellenismus um etwa 150 v. Chr. gefertigt. Die Skulptur ist 2,04 m hoch, komplett aus Marmor gearbeitet und befindet sich heute im Louvre in Paris. Bei ihr ist hingegen insbesondere das typische Schönheitsideal des Hellenismus wunderbar zu erkennen: Der Körper samt Beinen ist schlanker gestaltet, der Kopf kleiner, die Schulter schmaler und die Taille höher.

Entwicklung der Großskulptur und Plastik

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Entwicklung der altgriechischen Kunst neben der Errichtung von Tempelanlagen, Theatern und Grabbauten auch wunderbar an Skulpturen erkannt werden kann. In der Literatur geben insbesondere Plinius der Ältere und Pausanias einen guten Einblick in die altgriechische Kunst.

Die Entwicklung der Großskulptur und Plastik setze nach heutiger Auffassung in mykenischer Zeit an, sprich in der archaischen Zeit um etwa 700 v. Chr. Neben Protomen, den Oberteilen von Tieren und mythischen Gestalten, fanden vor allem Jünglingsstatuen, die Kouroi, großes Interesse bei den Bildhauern.

Die Schlichtheit des Kouros

Der Kouros der archaischen Zeit war durch eine gewisse Geschlossenheit, Symmetrie und Schlichtheit gekennzeichnet. Er besaß zumeist ein dezentes Lächeln. Die Beine wurden in Schrittstellung ausgearbeitet, was wahrscheinlich auf die ägyptische Menschendarstellung zurückzuführen ist. Griechenland zu dieser Zeit stand in engem Handelskontakt mit dem alten Ägypten.

Der Kouros von Anavyssos

Ein bekanntes Beispiel eines Kouros ist der Kouros von Anavyssos, der in Attika um 525 v. Chr. aus Marmor gefertigt wurde. Er ist 1,94 m hoch und ist heute im Archäologischen Nationalmuseum in Athen zu bewundern. Sein Körperbau ist kräftig, sein Gesicht markant ausgearbeitet und seine Haare wie gereihte Perlenschnüre geordnet – ein Ideal zu dieser Zeit. Zudem ist er frontal aufrecht wiedergegeben, nackt und mit hängenden Armen mit zu Fäusten geballten Händen dargestellt.

Kouroi folgten einem strengen Schema

Kouroi der archaischen Zeit folgten stets diesem strengen Schema. Lediglich die Fäuste konnten variieren. Frauengestalten wurden indes nicht nackt, sondern als Kore, als Mädchengestalt, mit einem Peplos, einem typisch griechischem, schweren, ärmellosen Gewand, wiedergegeben. Sie wurden in großer Zahl auf der Akropolis in Athen gefunden. Oft halten sie eine Opfergabe in der einen Hand, während die andere Hand in die Kleidung greift. Die Anatomie der Frau blieb in archaischer Zeit noch weitestgehend verborgen.

Skulpturenausstattung legte Steifigkeit ab

Mit dem Einsetzen der Früh- und Hochklassik um 500 v. Chr. wurden tiefgreifende Umwälzungen sowohl innen- und außenpolitisch als auch in der Kunst vollzogen. Nach dem Ende der Perserkriege 479 v. Chr. gelangten Athen und Attika zum Wohlstand, wodurch die Künste und die Wissenschaft aufblühen konnten. Die Tragödien mit Euripides, Aischylos und Sophokles gelangten zu ihrem Höhepunkt, repräsentative Bauwerke wie die Akropolis in Athen, der Poseidon-Tempel in Kap Sounion und die Kultstätten in Eleusis entstanden und die Skulpturenausarbeitung legte ihre Steifigkeit ab.

Die Geburt des Kontrapost

Die in der archaischen Zeit streng nach einem Schema ausgearbeiteten Kouroi wurden durch komplexere Kompositionen verdrängt. Die menschliche Skulptur verlor ihr sanftes Lächeln, stattdessen kehrte eine Schwermütigkeit, eine gewisse Melancholie in den Gesichtszügen ein. Der Körperbau war nicht mehr steif in Schrittstellung nach ägyptischem Vorbild dargestellt, sondern vielmehr wurde eine ausbalancierte Körperhaltung durch ein belastetes Standbein und einem unbelasteten Bein hervorgehoben. Der Kontrapost, italienisch Contrapposto, war geboren, auch wenn dieser Begriff erst in der Renaissance geprägt wurde.

Der Kanon des Polyklet

Aber auch in dieser Epoche wurde ein Schema angewandt. So entstand in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. der Kanon des Polyklet, ein Regelwerk über die Proportionen des menschlichen Körpers. Ziel war es, den Körper des Menschen harmonisch ohne Unregelmäßigkeiten darzustellen. Polyklet beschrieb, dass der Fuß dreimal so lang sein sollte wie die Handbreite, der Abstand vom Fuß zum Knie die sechsfache Handbreite, die Höhe des Kopfes ein Achtel der Gesamthöhe und der Abstand vom Knie bis zur Leibeshöhe die sechsfache Handbreite. Die Umsetzung dieses Schemas ist sehr gut an seinen eigenen Skulpturen wie dem Doryphoros, dem Speerträger, der sich heute im Nationalmuseum in Neapel befindet, zu erkennen.

Die Eleganz und Natürlichkeit der Spätklassik

Die Spätklassik um 400 v. Chr. brachte eine gewisse Eleganz, Natürlichkeit und Individualität mit in die Plastik- und Skulpturendarstellung. Der menschliche Körper erhielt eine geschwungene S-Linie und der bis dahin ernste Gesichtsausdruck wurde durch intensive Gefühle verdrängt. Es kehrten Schmerz und Leidenschaft ein. Auch Lebensstationen wie die Kindheit und das Alter wurden bildhauerisch dargestellt.

Der Hermes mit dem Dionysos-Knaben

Ein schönes Beispiel einer spätklassischen Skulptur ist der Hermes mit dem Dionysos-Knaben, der um 340 v. Chr. von Praxiteles gefertigt wurde und heute im Archäologischen Museum in Olympia zu bestaunen ist. Anhand dieser Skulptur ist der neuartige S-Schwung des Torso hervorragend zu erkennen. Die Schlichtheit, Straffheit und Eleganz des Torso steht im Gegensatz zu dem detailliert ausgearbeiteten, wallenden Gewand, welches die Figur um den linken Arm gewickelt hat.

Das gleiche Prinzip kann bei der Aphrodite von Knidos, ebenfalls von Praxiteles, heute in den Vatikanischen Museen in Rom, beobachtet werden. Weitere wichtige Vertreter dieser Epoche sind Skopas und Lysippos.

Griechische Kunst und Kultur kehrte in den Orient ein

Mit dem Einzug von Alexander des Großen und der damit verbundenen Unterwerfung der griechischen Stadtstaaten kehrte in die Kunst und Kultur der Orient ein. Alexander der Große, der kontinuierlich sein Reich versuchte auszubauen und dabei im Nahen Osten bis nach Afghanistan und Indien zog, brachte gleichzeitig einen fruchtbaren Austausch zwischen Griechenland und den orientalischen Kulturen.

Nach dem Tod von Alexander dem Großen bildeten sich unter den Diadochen kleine Reiche, was zu einer Neuerung der Kunst führte. Bildhauer legten nun großen Wert auf die Darstellung von Alltäglichem und persönlichen Themen, aber besinnten sich auch auf Motive der griechischen Sagenwelt zurück.

So entstanden realistische Portraits, aber auch Skulpturen mit dramatischen Effekten, mit der Absicht, komplexe und widersprüchliche Gefühlszustände wiederzugeben, was in der Wissenschaft gern mit „barock“ bezeichnet wird.

Der Barberinische Faun wird nahe der Engelsburg gefunden

Ein hervorragendes und meisterhaft ausgearbeitetes Werk von unvorstellbarer Schönheit aus dem Hochhellenismus ist der Barberinische Faun von 220 v. Chr., der in Rom bei der Engelsburg gefunden wurde und heute in München in der Glyptothek zu bestaunen ist.

Der Faun, der ein Begleiter des Weingottes Dionysos ist, schlief betrunken vom Rebensaft ein. Schön erkennbar ist der schlaff herunterhängende Arm, der schwer herabgesunkene Kopf mit halb geöffneten Lippen und der dennoch trotz des Schlafes angespannte Torso, bei dem Muskeln und Sehnen perfekt abgebildet wurden.

Weitere bekannte und wichtige Skulpturen des Hellenismus sind die Aphrodite von Melos, die um 150 v. Chr. gefertigt wurde und die Laokoon-Gruppe, die von Wissenschaftlern in das 2. Jahrhundert v. Chr. eingestuft wird. Bei der Aphrodite von Milos kann insbesondere die Rückbesinnung zur Klassik durch den S-Schwung des Torso im Späthellenismus gut erkannt werden. Bei der Laokoon-Gruppe ist besonders schön der angstvoll verzerrte Gesichtsausdruck zu erkennen, der bei dem Priester Laokoon zu beobachten ist. Er wird von seinen beiden Söhnen flankiert, die im Todeskampf mit den Ungeheuern abgebildet sind.

Die Laokoon-Gruppe seitlich gesehen
Die Laokoon-Gruppe seitlich gesehen

Altgriechische Kunst war im Wandel

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die altgriechische Kunst, Kultur und Architektur durch die Epochen hinweg im Wandel war. Tempelanlagen und Bauwerke wurden modifiziert, Skulpturen erhielten statt einer anfänglichen Steifigkeit (Beispiel Kouros) und Schemenhaftigkeit komplexere Bewegungen (klassische Periode, Kontrapost). Der krönende Abschluss bildete der Hellenismus unter Alexander dem Großen, der durch die Ausweitung Griechenlands orientalische Einflüsse ins griechische Leben brachte. In dieser Epoche entstanden realistische Portraits und Skulpturen mit einer detaillierten Ausarbeitung menschlicher Körper (siehe Barberinischer Faun) und mit dramatischen Gefühlsausdrücken versehen, die besonders bei der Laokoon-Gruppe zu beobachten ist.