Am 24. und 25. Februar 2013, fanden in Italien die Parlamentswahlen statt. Nicht nur Italien war auf das Ergebnis gespannt, sondern auch ganz Europa. Denn mit einer Wiederwahl Berlusconis könnte auch Europa massiv in die Schuldenkrise gestürzt werden. Nicht Griechenland könnte die Einheit Europas zersplittern, sondern Berlusconi – der Mann, der ohnehin die deutsche Politik mit Angela Merkel öffentlich anzweifelt.

Silvio Berlusconi, der 1994 zum ersten Mal in das Parlament einzog, bisher in seiner 13-jährigen Amtszeit viel versprach, jedoch kaum etwas in die Realität umsetzte, das Land in massive Schulden stürzte, arbeitspolitisch nahezu unfähig ist, könnte in den Parlamentswahlen 2013 erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Woran liegt das?

Es liegt zweifelsfrei vorrangig an seiner gesamten Erscheinung, an seinen medienwirksamen (Show-)Auftritten, an seinen Versprechungen und an den Italienern selbst.
In Italien ist durch die Ära Berlusconi die Bildung mitsamt der Kultur vernachlässigt worden. Stattdessen wurde die Frau als das Sinnbild der Erotik, der sexuellen Begierde in den Vordergrund gestellt, die in seinen Fernsehkanälen nichts weiter darzustellen zu sein scheint wie ein Gebrauchsgegenstand des Mannes. Fast nackte Frauen tänzeln in seinen Shows auf der Bühne, ein kurzes Röckchen hier, ein halbnackter Busen dort, von weiblicher Intelligenz ist kaum noch etwas zu spüren.

Silvio Berlusconi hält derzeit mit seinem Medienunternehmen „Mediaset“ etwa 20 Prozent der nationalen Kanäle. Europaweit hält er zudem drei Kanäle: 1986 führte er in Frankreich den Sender „La Cinq“ ein, 1987 bis 1992 wurde der Sender „Tele 5“ in Deutschland ausgestrahlt und 1989 begann der Sender „Telecinco“ seine Ausstrahlungen in Spanien.
Durch sein Medienunternehmen unterhält Berlusconi das milanesische Unternehmen „Publitalia 80“, eine Werbefirma, die ihm die passenden Werbeauftritte organisiert. Somit konnte sich Berlusconi bis heute stets medienwirksam präsentieren.
Aufgrund seines sexistischen Trends, den er in Italien vorgegeben hat, wurden die Bildung und Kultur vernachlässigt.  Zwar rief Mariastella Gelmini, Ministerin für Bildung, Hochschule und Forschung in den Jahren 2008 bis 2011 und weniger zufällig Anhängerin Berlusconis Partei „Popolo della Liberta“ (PdL), zu einigen Maßnahmen auf, jedoch gab es ebenso massiven Widerstand von Gewerkschaften, Eltern und Lehrkräften gegen den geplanten Abbau von Lehrkräften. Befürwortet wurde indes unter anderem eine Einführung der Schuluniform.
Im Jahre 2008 wurde von der Ministerin ein Sparpaket beschlossen, bei dem rund 8 Milliarden Euro weniger für die Bildung ausgegeben werden sollte. Zudem sollten 90.000 Lehrer entlassen werden und ein Verbot ausgeteilt werden, das den Universitäten Italiens verbieten sollte, mehr als ein Fünftel des bereits pensionierten Personals wieder neu zu ersetzen.
Auch die Struktur der Schulen sollte sich in Italien ändern, so sollte nur noch ein Lehrer eine Grundschulklasse leiten. Das Tragen von Schuluniformen sollte wieder zum Alltag gehören. Zucht und Ordnung müsse her, um Italien bildungspolitisch zu fördern. Irgendwie war aber das Gegenteil der Fall, wenn man sich die Ergebnisse der Pisa-Studien seit dem Jahre 2000 regelmäßig zu Gemüte zieht. Denn hier liegt Italien neben Mexiko, Portugal und Griechenland stets am Tabellenende der OECD-Staaten.
Ganz hart sollte es jedoch die Kinder von Zuwanderern treffen, denn diese sollten, wenn sie nicht der italienischen Sprache mächtig sind, aussortiert und in einer Sonderklasse unterrichtet werden. Für die Lega Nord ist dies eine „positive Diskriminierung“, für die Opposition und den Gewerkschaften hingegen die Rückkehr der südafrikanischen „Apartheid“.

Neben den Bildungseinrichtungen bekamen auch die öffentlichen kulturellen Institutionen die Ära Berlusconi zu spüren. Im Budgetgesetz 2011 wurde der Fondo Unico per lo Spettacolo (FUS), also der Kulturhaushalt, um satte 40 Prozent gekürzt. Somit flossen 288 Millionen Euro weniger in die Kassen der kulturellen Einrichtungen, wie beispielsweise in denen der Opern. Italienische Experten, wie Musikdirektor und Intendant der Mailänder Scala, Stephane Lissner, teilte mit, dass durch die massiven finanziellen Einschnitte der Großteil der Opern schließen müsse. Italiens Erbe, die Opern, jahrhundertelang berühmt und geliebt, müssen gegen kitschige, niveaulose Bühnenshows mit halbnackten Showgirls weichen. Ist dies wirklich das wahre Italien?

Mit der Regierung Montis, die bei Berlusconi so unbeliebt ist, wie Angela Merkel als Geschäftspartner, hatte der Ex-Ministerpräsident noch nie viel am Hut. So plant er auch bei einer Wiederwahl alle bisher aufgestellten Sparmaßnahmen Montis schlichtweg abzuschaffen. Allem voran die eingeführte Immobiliensteuer. Ist sie doch ein Störfaktor, der unbeliebt macht. Gerade im Süden des Landes, der überwiegend von mafiosen Strukturen dominiert wird und wo diese hauptsächlich im Baugewerbe und Drogenhandel agieren, ist eine Immobiliensteuer nicht gern gesehen. Und genau hier liegt Berlusconis Ass im Ärmel.

Die Bevölkerung Siziliens, die durch Korruption, illegalen Strukturen und Industriemangel vom restlichen Italien quasi abgeschnitten ist und wo die Bildung auf ein Minimum geschrumpft ist, hat Hoffnung in Berlusconis Versprechen. Steuererleichterungen und vor allem: neue Arbeitsplätze. Denn Sizilien hat neben Kampanien mit Neapel die höchste Arbeitslosenquote, vor allem bei Jugendlichen. Hier spürt man deutlich das Nord-Süd Gefälle, bei dem der Norden industrialisiert ist, eine niedrigere Jungendarbeitslosigkeit aufweist als der Süden. Hier ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Frust und Wut macht sich bei diesem Klientel bemerkbar. Kein Wunder also, dass eine Vielzahl der jungen Bevölkerung auswandern will. Italien verliert somit zunehmend an qualifiziertem Fachpersonal, was sich wiederum in der Wirtschaft und der Bildung niederschlägt. Eine Rettung ist nicht in Sicht, könnte aber durch den eher unscheinbaren Pierluigi Bersani erfolgen. Er ist der Vorstand und Ministerpräsidentskandidat 2013 der sozialdemokratisch orientierten Partei „Partito Democratico“ (PD). Bersani scheint das Gegenteil von Berlusconi zu sein. Eher ruhig, traditionell verbunden, pragmatisch und nicht machtergreifend, alles das, was Berlusconi mit Sicherheit nicht ist und nicht sein will, denn Berlusconi liebt seine Auftritte, genießt es im Mittelpunkt  zu stehen, wobei er  mit der Tradition mit seinen sexistischen Shows nicht viel am Hut zu haben scheint und Macht, ist die Nahrung seines Egos.
Arbeitslosenquote in Italien 2013
Quelle: statista.com

Mit Bersani könnte es Italien aus der Schuldenkrise schaffen. Zwar nicht sofort, aber allmählich Stück für Stück. Zu lange hatte Italien unter Berlusconi finanziell gelitten. Die Schuldenuhr tickte unaufhörlich weiter bis zu einem Stand von derzeit 2,0 Billionen Euro. Es ist somit faktisch klar, dass in der kurzen Regierungszeit von Monti, dieser nur innerhalb eines Jahres nicht die gesamte defizitäre Wirtschaft Italiens umwandeln konnte. Zu kurz war die Zeit der Rettung, zu lang die zerstörerische Regierungszeit Berlusconis.

Staatsverschuldung von Italien 2013
Quelle: statista.com

Was jetzt Italien retten könnte, ist ein ausgeklügelter Sparplan, der die Schulden des Landes allmählich abbaut. Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, die Bildung und die Kultur aufrecht erhalten werden, um weiterhin touristisch interessant zu bleiben. Italien lebt neben seinen Exporten von Wein, Reis, Käse und Öl vornehmlich vom Tourismus.
Vor allem im Süden, wo die Verzweiflung groß ist, wird auf die Worte des Ex-Ministerpräsidenten gehört. Zu viel „Annehmlichkeiten“ werden versprochen. Zu viel Hoffnung wird geschürt. Zu viel Armut existiert hier. Nur ist es doch paradox, dass gerade hier, wo die meiste, wenn auch inoffiziell gekaufte, Anhängerschaft lebt und wo er von einer angeblichen Liebe zu der Stadt spricht ( Napoli é „un atto d’amore nei confronti di una città e di una regione che ci sono sempre vicine“), es Berlusconi nicht auf die Reihe bringt, wenigstens eines seiner jahrzentelangen Versprechen einzulösen: Endlich das Mülldisaster von Neapel zu beseitigen.