Das Thema Coronabonds, oder besser gesagt Eurobonds, erhitzt derzeit die Gemüter der europäischen Länder. Besonders aber ist es Streitthema zwischen Italien und Deutschland, auch wenn Spanien und Frankreich ebenso mitmischen. Deutschlands Haltung ist dabei zum Schämen.

Update 10.04.: Eurogruppe findet Lösung

Nach 16,5 Stunden, insgesamt 2 Tagen an Verhandlungen, schafft die Eurogruppe einen Durchbruch. Zwar ist damit noch nicht die Frage zu Coronabonds vom Tisch, aber zumindest gibt es ein beschlossenes Paket, was aus drei Teilen besteht:

  1. das Kurzarbeiter-Programm „Sure“ der EU-Kommission mit einem Volumen von 100 Miliarden Euro
  2. ein Garantiefonds der EIB (Europäischen Investitionsbank) in Höhe von 200 Milliarden Euro, der Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen bereitstellen soll
  3. der Euro-Rettungsschirm ESM, der mit einem Volumen von 240 Milliarden Euro besonders betroffene Staaten unterstützen soll

Premier Conte gibt im italienischen Fernsehen auf Rai 1 am 10.04. bekannt, dass er weiterhin für Coronabonds kämpfen wird.

Um was geht es beim Coronabond?

Dieser Bond soll nichts anderes sein, als eine finanzielle Hilfe für alle europäischen Staaten, die durch die Corona-Krise in finanzielle Not geraten sind. Vereinfacht gesagt, sollen sämtliche Kosten, die während der Corona-Krise anfallen, addiert, zu einer Anleihe gebündelt und diese dann ausgegeben werden, um so finanzielle Liquidität zu generieren.

Warum der Streit?

Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und weitere Länder sind für die Anleihe. Deutschland, die Niederlanden, Finnland und Österreich sind derzeit gegen einen Coronabond.

Der Grund für den Streit ist insbesondere die Ablehnung Deutschlands für den Bonds. Weshalb sich Deutschland vehement weigert, kann nur vom Staat selbst beantwortet werden, denn es liegt kein schwerwiegender Grund meiner Ansicht nach vor. Sicherlich kostet es Deutschland ein paar Euros – um genau zu sein, 900 Millionen Euro für eine zehnjährige 500-Milliarden-Euro-Anleihe (Quelle: Süddeutsche Zeitung) – aber es wird das Land nicht in die Knie zwingen. Wir werden weiterhin Toilettenpapier, Quarkstrudel und Sauerkraut kaufen können. Und wir werden nicht den Pleitegeier am Himmel sehen.Was wir sehen werden, sind Ausgaben, die wir nicht geplant hatten. Aber lassen sich Katastrophen planen? Erdbeben? Vulkanausbrüche? Oder eben wie jetzt ein Virus? Nein, solche Ereignisse lassen sich nicht planen. Sicherlich kann man vorab für solche Fälle ein Instrument auf den Weg bringen. Aber das hat die EU bisher versäumt. Und nun kam das Virus und drang wie ein gespenstiger Schatten in noch so kleine Ortschaften in Europa vor, tötete Tausende Menschen und wütet weiterhin wie ein unzähmbares Feuer. Es ist eine europäische Angelegenheit, Tragödie und ein Trauerspiel zugleich, da jedes Land mittlerweile betroffen ist. Und hier teilt sich eben die Spreu vom Weizen.

Der Machtkampf zwischen Nord- und Südeuropa

Italien und der Rest des südlichen Europas sind Länder, die in ihrer Wirtschaft durch verschiedene Faktoren nicht die Stärke zeigen können, wie es Deutschland und einige andere Länder im Norden können. Nicht, weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nicht können. Italien als Beispiel hat mit Mafiastrukturen zu kämpfen, die den Süden seit jeher brach liegen lassen. Eine Industrialisierung ist kaum möglich. Sobald ein Unternehmen gegründet wird, hat der Inhaber zwei Möglichkeiten: 1. Er zahlt und verhält sich ruhig oder 2. er hat Nerven aus Stahl und spielt Katz und Maus, bis sein Geschäft entweder irgendwann abgebrannt oder zum Explodieren gebracht wird – wenn er Glück hat, überlebt er das – zumindest noch für eine geraume Zeit.

Ansonsten nagt natürlich noch die jahrelange Berlusconi-Führung in Italien, die alles andere als rosig für die Wirtschaft war. Als dann endlich der Weg zwangsweise für andere Regierungen freigemacht wurde, erkannte man das Ausmaß des Rückstaus in der Wirtschaft. Um diese nun abzuarbeiten und Italien auf Vordermann zu bringen, bedarf es jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange, Geduld. Es ist leicht, Vorhaltungen auszusprechen, warum Italien nicht seine Hausaufgaben erfüllt, warum es nur so wenige Intensivstationen mit Betten hat, warum es nur so wenige Beatmungsgeräte gibt und warum Italien immer noch kein Geld hat. Eben, weil Italien nicht Deutschland ist und weil in Italien andere Voraussetzungen herrschen. Viele Bürger zahlen keine Steuern, nicht wenige Unternehmen beschäftigen vorzugsweise schwarz und häufige Regierungswechsel lassen auf den Weg gebrachte Gesetze nichtig werden. Zudem sind einige staatliche Unternehmen marode, Banken vergaben in den letzten Jahren Tausende faule Kredite und die unter Matteo Salvini eingeführte Cittadinanza dei Redditi verschlingt ein Haufen Geld.

Es ist zum Schämen

Ich persönlich schäme mich sehr über die Haltung Deutschlands. Und ich habe bemerkt, andere Deutsche tun es auch. Und darüber bin ich wiederum stolz. Italien ist für mich nicht nur ein Land, es ist meine Heimat. Auch wenn ich in Deutschland geboren bin, fühle ich mich doch in Italien zu Hause. Die Italiener sind herzlicher, solidarischer und einfach lebenslustiger, wenngleich sie auch irgendwie mehr leiden können als wir. Eben, weil sie herzlicher sind. Ich möchte nicht sagen, dass wir Deutsche dies nicht sein können, aber bei uns herrscht doch eine gewisse Distanz zu allem. Das beste Beispiel zeigt ein Korb gefüllt von Nahrungsmitteln, der über einen Balkon nach unten gelassen wird. Dort kann jeder etwas hineinlegen und Arme sich etwas herausnehmen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie es hier in Deutschland wäre, wenn ich von meinem Balkon mal einen Korb hinunterlassen würde. Sicherlich würde entweder a) das Ordnungsamt an der Tür klopfen, weil Nachbarn dies unerträglich finden oder b) ich wegen fehlender Genehmigung für Bettelei auf der Straße ein Bußgeld bekomme. Seien wir mal ehrlich: Bei uns ist es doch wegen unserer Engstirnigkeit und Verbissenheit doch eher zum Heulen.

Und genau das, steht uns jetzt im Weg. 

Wir sind ein verbissenes Volk, was über seine Gesetze, Regelungen und Paragrafen nicht hinwegsehen kann. Da kann kommen, was wolle, es führt kein Weg daran vorbei. Und so ist es nun auch mit den Coronabonds. 

Der Coronabond passt nicht

Der Bond passt nicht in den Haushalt und auch nicht zu den Wahlen. Er passt nicht in den deutschen Haushalt mit Blick auf das Versprechen keine Mehrausgaben zu machen und auch nicht mit Hinblick auf die Wahlen. Man könnte ja wertvolle Stimmen verlieren, wenn man Italien helfen würde.Aber was für Stimmen? Diejenigen, die gegen den Bond sind, sind hauptsächlich Personen, die entweder gegen ein gemeinsames Europa sind oder Solidarität nicht kennen. Sicherlich gehört zum Abwägen des Coronabonds mehr als nur Fernsehen. Die seriösen deutschen Medien, wie beispielsweise die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, die Zeit und der Spiegel, geben recht gut Aufschluss über die Thematik.

Steigender Rechtspopulismus

Die Ablehnung des Coronabonds führt nicht nur zur Spaltung Europas, sondern auch zum Anwachsen rechtspopulärer Denkweisen. Wie man jetzt schon in den deutschen und auch italienischen Medien sehr gut beobachten kann, zeichnet sich ein Hass zwischen beiden Nationen ab, der so nicht entstehen und gedeihen darf. Wir hatten dies bereits rund 90 Jahre zuvor. Haben wir daraus nicht gelernt? Haben wir vergessen, was andere Länder, darunter auch Italien, für Deutschland getan haben? Haben wir nicht auch finanzielle Hilfen oder ein finanzielles Entgegenkommen erhalten? Das letzte Mal ist gar nicht so lange her. Deshalb sei hier zu Coronabonds geraten. Nicht nur aus Solidarität für Italien und den Rest Südeuropas, sondern auch um die rechte Szene nicht gedeihen zu lassen.

Ein JA für Coronabonds

Mein Fazit fällt kurz aus: Ich befürworte Coronabonds. Aus Solidarität für Italien und aus Liebe zu Europa.