Am 24. August 2017 ist die italienische Polizei mit Wasserwerfern und Knüppeln gegen afrikanische Flüchtlinge vorgegangen, die in der Nähe des Hauptbahnhofs Termini in Rom kampierten. Zuvor räumten die Polizeibeamten das Bürogebäude, in dem die rund 800 Migranten Unterschlupf gefunden hatten. Rausgeworfen standen sie auf der Straße und kampierten im umliegenden Gebiet nahe der Piazza Indipendenza.

Der Hauptbahnhof Termini in Rom
Der Hauptbahnhof Termini in Rom

Unter den Migranten sind vor allem Frauen und Kinder, Alte und auch Behinderte. Aber auch einige italienische Staatsbürger, denen das Geld für eine Wohnung fehlt, sind mit betroffen.

Rom hat ein Problem: Es hat zwar viele Flüchtlinge, aber weiß nicht wohin mit ihnen. Zwar erhält die Stadt Gelder für Flüchtlingsunterkünfte, aber niemand weiß so recht, wo das Geld hinfließt, so Aussagen von Anwohnern. Eines ist aber klar: Es fließt anscheinend nicht in den Bau von Flüchtlingsunterkünften.

Vorgehen stand scharf in der Kritik

Unicef, „Ärzte ohne Grenzen“ und Kirchenvertreter kritisierten scharf das Vorgehen der italienischen Behörden. Immerhin sind 800 Menschen betroffen. Die Leute aus den leerstehenden Häusern rauszuwerfen kann man im Hinblick auf die rechtlichen Eigentumsverhältnisse verstehen, aber ihnen keine Alternative zu bieten, grenzt an einer Schande, wie sie berichten.

Flüchtlinge haben es in Italien schwer

In Italien ist es für Flüchtlinge besonders schwer Fuß zu fassen. Es gibt so gut wie keine Integrationshilfen und auch keine Jobs. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit auch unter den Italienern selbst, ist es für Flüchtlinge umso schwieriger, einen Job zu finden. Und diejenigen, die einen Job gefunden haben, verdienen in vielen Fällen nicht genug, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können, denn in den großen Metropolen wie Rom, Mailand und Florenz sind die Mieten so hoch, dass sogar Normalverdiener manchmal diese kaum stemmen können. Hinzu kommt, dass viele Vermieter nicht an Afrikaner vermieten möchten. Zu hoch sei die Angst, zu hoch die Unsicherheit.

Für die vorwiegend aus afrikanischen Ländern stammenden Menschen bleibt nur die Hoffnung, dass eines Tages doch noch genügend Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden. Viele von ihnen möchten in andere Länder weiterreisen, doch laut des Dubliner Abkommens müssen sie da bleiben, wo sie den Asylantrag gestellt haben.

Flüchtlinge stranden überall in Italien

Nicht nur Rom ist von zahlreichen Flüchtlingen bevölkert. Jeden Tag landen Tausende neue Flüchtlinge auf dem italienischen Festland. Vor allem auf Lampedusa, Sizilien und in den südlichen Regionen Italiens, wie Apulien, Kampanien und Basilikata, stranden viele Flüchtlinge.

In Ventimiglia, einer in wenigen Kilometern an Frankreich grenzenden Stadt in der Region Ligurien, herrschte ebenso der Ausnahmezustand. Dort campierten am Strand Tausende Flüchtlinge, die jede Nacht aufs Neue die Flucht nach Frankreich durch Gestrüpp und Buschland gewagt hatten. Viele von ihnen schafften es nicht und wurden von der Polizei aufgegriffen und wieder nach Italien geschafft. Einige von ihnen bezahlten die Flucht mit dem Leben. Einige Afrikaner waren auf der Autobahn in einem Tunnel von einem herannahenden Fahrzeug erfasst worden.

In Bozen (Bolzano) zeigt sich ein anderen Bild. Hier sieht man nahezu an jeder Ecke zahlreiche Afrikaner, die nur darauf warten, die Grenze zu Österreich (Brenner) überqueren zu können. Viele Anwohner fühlen sich allein durch die Anwesenheit der Afrikaner belästigt, denn nicht alle Afrikaner sind friedlich. Einige von ihnen werden kleinkriminell, um sich das Überleben zu sichern.

Was kann Italien tun?

Italien selbst hat eigene finanzielle Probleme und kämpft seit geraumer Zeit selbst mit seiner Wirtschaft: das Banken-Fiasko von 2016, hohe Arbeitslosenquote, niedrige Löhne, marode Brücken und Bauwerke, faule Kredite, dann kam auch noch Corona.

Es ist zudem keine Aufgabe von Deutschland und auch nicht von Frankreich. Es ist eine Aufgabe, die die gesamte Welt etwas angeht.

Die Flüchtlinge kommen nach Europa, landen oft zuerst in Italien, weil es am nächsten an dem afrikanischen Kontinent grenzt. Nun versperrt die EU-Politik das weitere Prozedere. Flüchtlinge müssen dort bleiben, wo sie zuerst gestrandet sind: Nämlich in Italien.

Eine Aufteilung der Flüchtlinge auf andere EU-Länder funktionierte in den vergangenen Jahren eher schlecht als Recht, weil die Solidarität mit Italien entweder nicht stark ausgeprägt ist oder weil die eigene politische Stellung im Land und das eigene Gedankengut eine Flüchtlingsabnahme nicht zulassen. Im Grunde genommen kann man beobachten, dass Italien, Deutschland und Frankreich die Länder sind, die sich am meisten an der Flüchtlingspolitik beteiligen. Die osteuropäischen Länder riegeln vermehrt ab. Bestes Beispiel liefert Ungarn.

Aber ist es nicht ein Problem, was uns alle angeht? Was ist mit anderen Ländern auf der Welt? Wäre nicht eine Verteilung der Flüchtlinge weltweit gerechter als nur in zwei, drei Ländern? Und wäre es vielleicht nicht sinnvoller, direkt vor Ort in den afrikanischen Ländern selbst, Hilfe zu leisten, sodass erst gar keine Flüchtlingsströme entstehen? Aufklärung vor Ort könnte schon helfen. Europa ist nicht das Paradies, dass von den Schleppern versprochen wurde, wo das Geld nur so an den Bäumen hängt, wo jeder ein Haus hat und wo jeder einen Job hat.

Vielmehr ist Europa ein Geflecht aus Ländern, in dem man erst einmal die Sprache des Landes lernen muss und einen Job finden muss. Angesichts der hohen Arbeitslosenquote in vielen EU-Ländern, siehe Griechenland, Spanien, Portugal und Italien, ist dies kein leichtes Spiel. Auch sind die Preise hier wesentlich höher als in Afrika. Viele Afrikaner unterschätzen dies. Dort kostet ein Kilo Rind kaum mehr als umgerechnet 2 Euro. Hier bezahlt man das Vielfache. Auch die Krankenkasse muss bezahlt werden, Strom, Miete und Essen. Viele kennen noch nicht einmal Mietzahlungen oder Strombeiträge, da sie aus ärmlichen Gegenden ohne Wasser- und Stromversorgung kommen.

Was ist bis 2022 passiert?

In Rom leben weiterhin eine Vielzahl an Flüchtlingen. Aktuell geht man von 14.000 Menschen aus, die auf der Straße oder in sogenannten „informellen Siedlungen“ leben, wie die humanitäre Organisation Ärzte für Menschenrechte (MEDU) und das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) berichten.

Durch die Corona-Pandemie stieg die Zahl der obdachlosen Menschen erheblich an. Sie finden häufig Unterschlupf in der informellen Siedlung Piazzale Spadolini am Bahnhof Tiburtina, aber auch auf dem Bürgersteig der Via Marsala am Bahnhof Termini. Von 2017 bis Januar 2022 haben 3.404 Menschen bei 5.765 Arztbesuchen (einschließlich Erst- und Folgebesuchen) medizinische Hilfe durch mobile Kliniken erhalten. Flüchtlingsheime wurden nicht ausreichend gebaut bzw. errichtet, sodass viele Flüchtlinge weiterhin Häuser besetzen oder auf der Straße leben.